Wein Lese Land marbach + bottwartal 2/2019
Der 2019er ist der erste Jahrgang, der nach der Fusion der Genossenschaft Weinfactum mit der Felsengartenkellerei Besigheim, in Hessigheim ausgebaut wird.
Als im April dieses Jahres die Fusionspläne publik wurden, sorgten die kleine Cannstatter Genossenschaft Weinfactum und der große Partner Felsengartenkellerei für eine Überraschung in der Weinszene. Genossenschaftsintern wurde die Kooperation lange und intensiv vorbereitet. Und nicht nur das. Bevor die Cannstatter in Besigheim im Sommer 2018 anklopften, waren sie auf Partnersuche in der Landeshauptstadt gegangen. Doch zu einer Liebesheirat war keiner bereit. Nicht einmal zu einer Zweckehe. Im Juli dieses Jahres gab es für die Mitglieder von Weinfactum, zu denen auch 16 Wengerter aus Rielingshausen gehören, dann doch noch ein Happy End. Von einer Fusion auf Augenhöhe spricht Götz Reustle, der Vorstandsvorsitzende der Felsengartenkellerei. „Unser beider Interessen ergänzen sich sehr gut. Wir sprechen dieselbe Sprache.“ Des Flächengewinns wegen habe man die Fusion nicht vorangetrieben, betont er. Die 1450 Mitglieder bewirtschaften rund 730 Hektar Rebfläche. Die 109 Weinfactum-Mitglieder steuern weitere 44 Hektar bei. Reustle: „Der Stuttgarter Markt ist eine Chance für uns und Weinfactum hat einen anderen Zugang zu diesem Markt, als wir ihn je haben könnten.“ Für den kleineren Partner war hingegen wichtig, nicht unterzugehen und von der Philosophie her auf einer Wellenlänge zu sein, berichtet Thorsten Klimek, der Geschäftsführer und Kellermeister von Weinfactum. Und die Felsengartenkellerei passe, was besagte Qualitäts-Philosophie angehe, zu Weinfactum. Auch das Thema Steillagen verbinde die beiden Genossenschaften. Den Standort Hallschlag, an dem Klimek bislang die Weine der Cannstatter Genossenschaft ausgebaut hat, bleibt nicht nur erhalten, er soll sogar noch gestärkt werden. Wer einen Wein von Weinfactum kaufen möchte, kann dies wie bisher in der dortigen Vinothek tun. Darüber hinaus soll es dort aber auch mehr Veranstaltungen geben, verrät Klimek.
Für den Ausbau der Weine kann der Kellermeister in diesem Herbst zum ersten Mal die Möglichkeiten in Besigheim nutzen. „Wir hatten in Cannstatt eine sehr veraltete Kellertechnik. Die Felsengartenkellerei hat, gerade für den Premiumbereich, eine hervorragende technische Ausstattung. Da träumt jeder Kellermeister davon“, gerät Klimek ins Schwärmen. Die Weine der Felsengartenkellerei werden von Kellermeister Sebastian Häußer separat ausgebaut. Klimek kümmert sich ausschließlich um die Weinfactum-Produkte. „Jeder hat seinen eigenen Stil, aber es ist gut, einen Partner zu haben, der weiß, wovon man spricht“, freut sich Klimek auf die Arbeit am neuen Standort. An den Etiketten wird sich durch die Fusion zunächst nichts ändern. Und das Sortiment? Da gibt es dann doch die ein oder andere Anpassung. Nischenprodukte, hinter denen keine Menge steht, werde es in Zukunft nicht mehr geben, erklärt Götz Reustle. Der Schwarzriesling etwa spiele in Stuttgart keine Rolle, lediglich in Rielingshausen. „Er ist aber gut bei uns unterzubringen.“ Beim Trollinger wird es künftig nur noch die Lage Cannstatter Zuckerle geben. Die Nachfrage von Kunden nach Lagen lasse sowieso nach. Außerdem habe man in Württemberg eh viel zu lange auf die Traditionsmarke Trollinger gesetzt, meint Klimek und hat in Reustle auch beim heißen Eisen „Trollinger“ einen Partner gefunden. Der sei eine Traditionssorte, versichert Reustle, aber sie sei durch zu schlechte Qualität und durch zu große Mengen kaputt gemacht worden. Deshalb müsse man sich am Markt orientieren und ihn, was die Menge angeht, zurückfahren. „Der Trollinger ist und bleibt eine heilige Kuh. Wir wollen sie nicht schlachten, aber ein weiter so darf es auch nicht geben“, ist Reustle überzeugt. (kaz)